Finanzen, Krankengeld, Schwerbehindertenausweis

Viele unserer Interviewpartnerinnen beschreiben, dass sie durch die Erkrankung auch vor finanzielle Herausforderungen gestellt wurden. Sind die Frauen erwerbstätig und gesetzlich versichert, haben sie zunächst Anspruch auf Krankengeld von der Krankenversicherung, um den Arbeitsausfall auszugleichen. Dies ist allerdings in der Summe weniger als das Gehalt. Während die Zahlungen bei manchen nahtlos auf dem Konto eingingen, war es für andere problematisch, wenn die Zahlungen unregelmäßig überwiesen wurden. Für die Zeit der Anschlussheilbehandlung oder Reha wird in der Regel Übergangsgeld vom Rentenversicherungsträger gezahlt, wofür die Unterlagen bei der Rentenversicherung eingereicht werden müssen (Infos und Links). Der Zeitraum der Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber variierte bei den Erzählerinnen je nach Beschäftigungsgrad. Manche sind durch ihren Partner krankenversichert und finanziell versorgt. Die Kontakte mit den Behörden und Antragstellungen waren für einige Interviewpartnerinnen mit hoher Anstrengung verbunden, da immer viel Papierkram und Organisationsaufwand dazugehörten. 

Andrea Jesse erhielt das Krankengeld nahtlos und beantragte eine Reha.

Doris Teller ist als Alleinstehende darauf angewiesen, dass sie nach 17 Monaten wieder arbeiten gehen kann.

Greta Tietze-Stein findet, dass Kranksein teuer ist. Sie ist durch ihren Mann finanziell abgesichert.

Einige unserer Interviewpartnerinnen leben allein und/oder sind noch in der Ausbildung und müssen zusehen, wie sie finanziell über die Runden kommen. Ist es nicht möglich, zu arbeiten, kann es nötig sein, Arbeitslosengeld zu beantragen. Manche unserer Erzählerinnen führte die lange Erkrankung in die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit. In der Regel wird dann eine Erwerbsminderungsrente oder gegebenenfalls eine zusätzlich privat abgeschlossene Berufsunfähigkeitsrente ausgezahlt. In eine besonders existentiell gefährdete Situation können auch freiberuflich Tätige oder Selbstständige geraten. Viele der Erzählerinnen hatten nur wenige Informationen, wie sie mit den Geldsorgen umgehen konnten. Manche wurden über die Selbsthilfegruppe informiert, zum Beispiel über Härtefonds der Deutschen Krebshilfe, die gegebenenfalls einmalige Zuwendungen an Freiberufler*innen ausschütten. Einige mussten ihre finanziellen Rücklagen in der Zeit der Erkrankung aufbrauchen oder erhielten finanzielle Unterstützung von Familienangehörigen.

Carolin Zenning erkrankte während ihrer Elternzeit und musste Hartz IV beantragen.

Julia Bring erkrankte innerhalb von drei Jahren zum zweiten Mal und bekam kein Krankengeld mehr.

Heike Tschirner beschreibt die Erwerbsunfähigkeit durch den Krebs als sozialen Abstieg.

Ulrike Blessinger hätte als Freischaffende einen Antrag auf finanzielle Unterstützung stellen können.

Viele unserer Interviewpartnerinnen betonen, dass sie froh sind, in Deutschland zu leben und Sozialleistungen zu erhalten. Tova Goldblum, die aus dem Nahen Osten stammt, erzählt zum Beispiel, dass in Deutschland die Krankenkasse viel mehr bezahlt als in ihrer früheren Heimat. Einer Bekannten, die dachte, sie müsse wegen der Brustaufbau-Operation einen Kredit aufnehmen, rät Petra Schuler: „Bleiben Sie mal ganz entspannt, das bezahlt die Krankenkasse, Sie hatten ja auch Brustkrebs und da gibt es kein zeitliches Limit.“ Viele Interviewpartnerinnen berichten, dass sie von der Krankenkasse neben den Behandlungen und dem Krankengeld auch Sachmittel bewilligt bekamen für Spezial-BHs und Badeanzüge, die Perücke, Fahrtkosten, Kinderbetreuung und anderes. Von manchen Krankenkassen werden komplementäre Behandlungen übernommen (Komplementäre Behandlungen). So erhielt Gabriele Ohler den positiven Bescheid, dass auch ihr Yoga-Kurs bezahlt wird. Oft müssen zu den Leistungen der Krankenkassen allerdings Zuzahlungen aufgebracht werden. Die maximale jährliche Eigenbeteiligung liegt bei 2% des jährlichen Bruttoeinkommens der Haushaltsmitglieder. Menschen mit geringen Einkünften können sich auf Antrag von der Zuzahlung befreien lassen (Infos und Links).

Kirsten Seifert ist freiwillig versichert und bekommt alles Nötige von der Krankenkasse bezahlt.

Sabine Buck erfuhr, dass sie Anspruch auf einen Spezial-BH und Badeanzug hat.

Nicht jede Anfrage für eine Kostenübernahme bei der Krankenkasse geht reibungslos vonstatten. Einige unserer Interviewpartnerinnen berichten, dass die Krankenkasse zuerst eine Spezialuntersuchung wie zum Beispiel eine Positronen-Emissions-Tomographie (PET) oder einen Gentest beziehungsweise eine Spezialbehandlung wie zum Beispiel Hyperthermie oder Radiochirurgie nicht bezahlen wollte. Manche streckten das Geld daher zunächst vor und hatten Sorge, es nicht rückerstattet zu bekommen. Daraufhin wendete sich eine Erzählerin an den medizinischen Dienst, andere wechselten die Krankenkasse zu einer, die eine bessere Versorgung speziell für Brustkrebs-Patientinnen anbietet, manchmal zu einer privaten Versicherung. Einige Frauen machten gute Erfahrungen damit, dass sie eine private Zusatzversicherung abgeschlossen hatten.

Brigitte Rose wendete sich an den Medizinischen Dienst, um die Kostenübernahme des MRTs zu erwirken.

Manuela Weber wechselte in eine private Versicherung.

In der Regel kommt während des Klinikaufenthaltes eine Mitarbeiterin des Sozialen Dienstes und informiert über verschiedene Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung, der Anschlussheilbehandlung beziehungsweise Reha und über den Schwerbehindertenausweis, den man beim zuständigen Versorgungsamt beantragen kann. Dieser Ausweis löste bei manchen der Interviewpartnerinnen gemischte Gefühle aus: Sie waren zunächst betroffen, als schwerbehindert eingestuft zu werden, da sie sich nach den Behandlungen gesund fühlten. Viele sehen dann aber Vorteile und berichten von steuerlichen Erleichterungen, erhöhtem Kündigungsschutz, mehr Urlaub oder auch Ermäßigungen bei Eintritten. Manche der Erzählerinnen lehnten die Beantragung dennoch ab, weil sie in den Vergünstigungen keine Vorteile für sich sehen. Die Vergünstigungen sind abhängig vom eingestuften Grad der Behinderung. Dieser kann trotz gleichem Krankheitsstadium unterschiedlich ausfallen, deshalb legten manche unserer Interviewpartnerinnen Widerspruch bezüglich ihrer Einstufung ein. Nach fünf Jahren wird der Ausweis dann wieder abgenommen, wenn die Krankheit in diesem Zeitraum nicht zurückgekehrt ist. Dies führte bei den meisten der interviewten Frauen auf Unverständnis, besonders dann, wenn eine Berentung ansteht und durch den Grad der Behinderung Abschläge verringert werden. Manche erfuhren auch erst zu spät von der Option des Ausweises und wünschten sich mehr Informationen darüber (Infos und Links).

Gudrun Altmann war erst geschockt, einen Behindertenausweis zu bekommen, sieht jetzt aber die Vorteile.

Bianca Winkler sieht kaum Vorteile für Selbstständige. Der Schwerbehindertenausweis passt nicht in ihr Selbstbild.

Für Iris Ludwig ist die Nutzung des Schwerbehindertenausweises im Alltag fraglich.

Ute Schuhmacher klagte gegen die Abgabe des Behindertenausweises und konnte mit 60 in Rente ohne Abstriche.

Melanie Thiel wurde nicht informiert und wünscht sich eine Liste mit möglichen Sozialleistungen.