Partnerschaft und Sexualleben

Für viele unserer Erzähler*innen war es überaus wichtig, dass ihre Partnerin oder ihr Partner auch in „schlechten Tagen“ zu ihnen stand und sie unterstützte. Die Partnerschaft konnte viel Kraft und Hoffnung geben und auch praktisch bei Arztbesuchen und Therapien unterstützen. Oft konnten die Partner*innen noch leichter einen „klaren Kopf bewahren“ als die Betroffenen selbst.

Manche unserer Erzähler*innen berichten, dass der Partner/die Partnerin in unsicheren Zeiten noch belasteter war als sie selbst. Andere Erzähler*innen merkten, dass ihre Partnerin/ihr Partner versuchte, sich nichts anmerken zu lassen um sie zu schonen. Dadurch konnte das Miteinander aber recht verunsichert werden. Einige unserer Interviewpartner*innen beschreiben, dass sie in manchen Zeiten auch existentielle Ängste ausstanden, Angst hatten zu sterben und ihren geliebten Menschen alleine zurückzulassen.

Besonders in solchen Situationen habe manchmal eine psychoonkologische Begleitung viel geholfen (siehe „Psychotherapie und Psychoonkologie“).

Nicht alle unsere Erzähler*innen hatten verlässliche Partner*innen an ihrer Seite. Clara Ott wurde von ihrem Mann verlassen, nachdem sie mit dem Stoma leben musste. Auch befanden sich nicht alle unserer Interviewpartner*innen in einer Partnerschaft. Besonders für diejenigen, die verwitwet waren und gar ihren Partner/ihre Partnerin auch durch eine Krebserkrankung verloren hatten, war dies besonders schwer. Für einige war die Krankheit auch ein Anlass, das Leben und die Partnerschaft neu zu überdenken und zu verändern.

Petra Markert ist ihrem Mann dankbar, dass er sie immer wieder unterstützte.

Dieter Loewes Frau stand zu ihrem Mann und für beide war es berührend, darüber zu sprechen.

Maria Rich stand gemeinsam mit ihrem Mann große Ängste aus.

Intimität und Sexualleben

Viele unserer Erzähler*innen haben die Erfahrung gemacht, dass gerade intime Themen tabuisiert sind und es schwer ist, darüber zu sprechen und ernst genommen zu werden. Außerdem empfanden viele unserer Interviewpartner*innen ihren Körper zunächst als befremdlich, fühlten sich ihres Körpergefühls und auch ihres Vertrauens in den eigenen Körper und um die eigene Attraktivität beraubt. Unter anderem diejenigen, die ein Stoma angelegt bekamen, hatten damit anfangs Berührungsängste und auch Hemmungen mit Berührungen seitens ihrer Partner*innen. Auch waren einige Erzähler*innen beeinträchtigt und manchmal beschämt durch Blähungen, häufige Stuhlgangfrequenz, unangenehme Geräusche oder Gerüche bis hin zu Inkontinenz oder undichten Stomabeuteln (siehe auch „Ernährung, Verdauung und Inkontinenz“ und „Umgang mit dem Stoma“ sowie „Leben mit dem Stoma“).

Einige unserer Interviewpartner*innen berichten, dass es für sie wichtig war, vor allem offen mit den Unsicherheiten ihrer Partner*innen umzugehen und den Partner/die Partnerin mit ihrem veränderten Körper und mit ihren eigenen Verunsicherungen und Ängsten vertraut zu machen. Insbesondere war gegenseitiges Vertrauen die Grundvoraussetzung, sich wieder anzunähern und Nähe zulassen und geben zu können. Einigen war es wichtig, humorvoll mit peinlichen oder sonst beschämenden Situationen umzugehen und miteinander lachen zu können.

Joachim Braun fand es wichtig, in der Partnerschaft offen mit Unsicherheiten umzugehen.

Viele unserer Erzähler*innen waren durch ihr Stoma zunächst verunsichert. Die meisten berichten, dass es wichtig gewesen sei, langsam auszuprobieren, was möglich und auch angenehm für sie sein konnte. Während manche Interviewpartner*innen die Pflege des Stomas gemeinsam mit dem Partner/der Partnerin bewerkstelligten und diese*n damit vertraut wurde, berichten andere, dass sie ihr Stoma nur alleine und autonom handhabten und ihre Partnerin/ihr Partner damit nicht belasten oder gar als Pflegeperson „missbrauchen“ wollten.

Zum Thema Geschlechtsverkehr schildern manche, dass die Spontanität mit dem Stoma etwas nachließ, weil es vor dem Geschlechtsverkehr nötig sei, das Stoma zu entleeren. Manche beschreiben, dass sie ihr Stoma mit Unterwäsche oder Bauchbinden sicher am Körper fixierten, andere haben damit keine guten Erfahrungen gemacht.

Sylvia Herrmann beschreibt, dass beim Sex die Spontanität eingeschränkt ist, aber sonst alles klappt.

Leon Gerspacher musste sich beim Sex an das Stoma gewöhnen, hat aber kaum Einschränkungen dadurch.

Unabhängig, ob ein Stoma angelegt wurde oder nicht, beschreiben viele unserer Erzähler*innen, dass sie während der Behandlung kein Bedürfnis und keine Lust auf Sex hatten. Viele schildern, dass ihnen die Nähe und das Vertrauen zu ihrem Partner/ihrer Partnerin wichtiger waren als der Geschlechtsakt und dass sie viel innigere Momente gemeinsam erleben konnten als beim Sex.

Während der Chemotherapie hatte Maria Rich kein Bedürfnis nach Sex, Intimität war ihr viel wichtiger.

Während Lisa Roth anfangs Probleme mit ihrer Körperlichkeit hatte, genießt sie heute ihr Sexualität sehr.

Bei manchen unserer Erzähler*innen hinterließen Operationen oder Bestrahlungen bleibende Schäden. Bei einigen Männern wirkte sich dies auf das Sexualleben aus. Meist wurden sie darüber kaum aufgeklärt und waren dementsprechend verunsichert und zurückhaltend, dies beim Arzt/bei der Ärztin anzusprechen.

Leon Gerspacher findet, dass das Thema Sex in seinem Alter von den Ärzt*innen vernachlässigt wird.

Manche beschreiben Ejakulationsstörungen, die teilweise sehr unangenehm und befremdlich waren, wenn zum Beispiel die Samenflüssigkeit in die Blase geleitet wurde und beim Wasserlassen sehr unangenehm riechen konnte. Es wurde auch von Krämpfen der Schließmuskulatur beim Orgasmus berichtet, die über lange Zeit nicht zu beeinflussen waren.

Daneben berichten einige Interviewpartner*innen über Erektionsstörungen, weil Nerven geschädigt wurden. Während dies bei manchen dauerhaft irreversibel blieb, konnten sich andere mit Potenzmedikamenten behelfen. Diese werden nicht von der Krankenkasse bezahlt, auch wenn der Geschlechtsverkehr sonst gar nicht mehr möglich ist. Die Potenzmedikamente vertrugen aber nicht alle. Ein Erzähler reagierte mit Hitzewallungen darauf und setzte die Medikation schnell wieder ab. Manchmal konnten die Erzähler*innen auch nicht genau herausfinden, woher die Probleme kamen, wenn sie gleichzeitig noch andere Medikamente einnahmen.

Holger Pfleger und seine Frau mussten akzeptieren, dass das Liebesleben nicht mehr möglich war.

Leon Gerspachers Freundin ist verständnisvoll. Auch sein Urologe zeigte sich interessiert.

Leon Gerspacher findet es schade, dass sich so wenige mit Sexualitätsstörungen und Potenzmitteln auskennen.

Gerd Osten bekam Medikamente gegen die Potenzstörungen verschrieben, die ihm halfen.

Jan Holgerssons Sexualleben ist seit der Operation beeinträchtigt; er fand keine Unterstützung beim Urologen.

Bei Frauen können manchmal Vernarbungen zu Schmerzen führen. So berichtet eine Interviewpartnerin, dass sie dauerhaft Probleme beim Geschlechtsverkehr hatte, die nicht therapiert werden konnten. Bei einer anderen Erzählerin halfen Cremes, die das Gewebe etwas weicher machten, weil bei ihr die Vernarbungen nicht so schlimm waren. Auch die Bestrahlung kann Schäden verursachen, die bei einer Interviewpartnerin aber operativ behoben werden konnten. Manche Erzähler*innen vermuteten, dass die Schmerzen beim Geschlechtsverkehr mitunter durch ihre psychische Belastung zustande kamen.

Ingrid Weis musste an der Scheide operiert werden, weil eine Entzündung nicht richtig behandelt worden war.

Vielen unserer Erzähler*innen war es wichtig, dass sie das Thema Sex und die etwaigen Folgen der Therapie auf das Sexualleben mit ihrem Arzt/ihrer Ärztin besprechen konnten. Weil das Thema auch für viele Ärzt*innen schambehaftet war, machten einige die Erfahrung, mit ihren Problemen nicht gehört zu werden.