Die Erfahrungen von Sydney Epp

Portrait Sydney Epp ist 28 Jahre alt zum Zeitpunkt des Interviews. Sie kommt aus Südamerika und promoviert seit einiger Zeit in Deutschland. Das Interview wurde auf Englisch geführt, weil sie nur wenig Deutsch spricht. Sydney Epp hat der Veröffentlichung ihres Interviews in Textform zu gestimmt.

Sydney Epp hat ADS und berichtet über die typischen Symptome, die damit einhergehen. So hatte sie schon bereits in der Schule Schwierigkeiten, weil sie sehr vergesslich und häufig unaufmerksam war. Ihre Mutter und ihre ältere Schwester haben auch AD(H)S, besonders ausgeprägt bei der Mutter. ADS hat schon immer sowohl Sydneys Privat- als auch ihr Berufsleben beeinträchtigt.

Die Diagnose erfolgte erst sehr spät, als Sydney ihre Masterarbeit schrieb. Ihr Betreuer hatte sie damals darauf hingewiesen und so machte sie die notwendigen Tests. Danach hat sie sich mit anderen Betroffenen auf Facebook ausgetauscht. AD(H)S, sagt sie, ist in ihrem Heimatland noch eine relativ neue Diagnose, daher vielen Menschen nicht bekannt. Auch sei es extrem schwierig, die Medikamente verordnet zu bekommen. Sydney berichtet gar über einen Schwarzmarkt für Ritalin und ähnliche Medikamente. Auch würden Menschen, die gar kein AD(H)S haben, diese Medikamente kaufen und als Aufputschmittel benutzen.

Sydney erzählt sehr ausführlich und leidvoll über viele kleinen Unfälle im Haushalt und in der Öffentlichkeit, weil sie nicht aufmerksam genug war: z. B. gegen eine Wand laufen, Termine vergessen, mehrmals falsche PIN für die Bankkarte eingeben und Ähnliches. Sie hat in ihrem Leben nur ein einziges Buch zu Ende gelesen und war danach sehr stolz auf sich. Die Situation verbesserte sich erst, als ihre Familie Geld erbte und Sydney dadurch auf eine Privatschule gehen konnte. Dort wurde sie allerdings erneut als Außenseiterin betrachtet, nicht aufgrund ihrer ADS, sondern weil sie aus ärmlichen Verhältnissen stammt.

Sydney erzählt über viele Probleme auch in Partnerschaften, weil sie Verabredungen immer wieder vergessen hatte, sehr impulsiv war und manchmal ihren Partner wochenlang einfach nicht sehen wollte. Sie sagt außerdem über sich, dass sie eher ein Mensch für eine Fernbeziehung sei. Sie bezweifelt auch, dass sie jemals heiraten wird, weil das einfach nicht funktionieren würde. Sie hat ebenso Angst, Kinder zu bekommen. So könnte sie ihr Kind einfach im Auto vergessen, wenn sie z. B. einkaufen oder zur Arbeit geht.

Viele Menschen in ihrer Familie leiden an Depressionen und auch sie merkt eine depressive Verstimmung bei sich von Zeit zu Zeit. Sydney berichtet, dass nur so lange sie die Medikamente nimmt, sie ein „normales“ Leben führen kann. Ritalin hilft ihr, Termine wahrnehmen, seltener Sachen zu verlieren und allgemein eher glücklich und zufrieden mit ihrem Leben zu sein.

Den Zugang zur Gesundheitsversorgung in Deutschland findet sie viel schneller und günstiger als in ihrem Heimatland. Sie hat hier eine Ärztin gefunden, die Englisch spricht und die sie sehr gut betreut. Sie nimmt weiterhin Medikamente und verträgt diese sehr gut. Sydney ging früher gerne zur Kirche und hatte das Gefühl, dass Kirche und Religion im Allgemeinen ihr helfen, ruhiger und entspannter zu sein. In Deutschland ist das Verhältnis zu Religion anders und daher fühlt sie sich dort nicht so wohl, aber auch weil sie die Sprache nicht versteht.

Das Interview wurde 16.03.2016 geführt.

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